• Gemeinde Untermarchtal Panorama

140 Jahre Eisenbahn durch Untermarchtal

Das Eisenbahnteilstück von Ehingen bis Riedlingen wurde erstmals vor 140 Jahren befahren

Das Streckenteilstück der Donautalbahn von Ehingen bis Riedlingen wurde erstmals am 15. Juni 1870, „dem Tag vor Fronleichnam“, befahren. So wie der damalige Pfarrer Franz-Josef Schwitthelm aus Untermarchtal in der Pfarrchronik vermerkte, mit dem Dampfzug der damaligen „Königlich Württembergischen Staatseisenbahn“.

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Fast alle Orte in Württemberg wollten damals „ihren Eisenbahnanschluss“, auch die Gemeinden und Städte im Donautal. Diese Bahnlinie galt in jener Zeit als strategisch sehr wichtig. Die politische Situation in jener Zeit war wegen der diplomatischen Auseinandersetzungen mit Frankreich sehr angespannt, ja feindselig. Genau 4 Wochen später entbrannte der Deutsch-Französische Krieg, der „70-iger Krieg“, in vollem Umfang. Und somit diente diese Donautalbahn als strategische Ost-West-Bahn auch der kriegerischen Auseinandersetzung. Davon war aber vor Ort in der Region Ehingen-Munderkingen-Riedlingen nichts zu verspüren. Im Gegenteil. Die Freude über die Bahneröffnung in jenen Sommertagen überwiegte allen Ortes. Zum Beispiel: Die Donaubrücke in Untermarchtal war für den vorbeifahrenden ersten Zug und dessen prominenten Fahrgäste „geschmückt mit Maien an Maien“. So der Vermerk des Pfarrherrn in der Pfarrchronik. In Ehingen und Munderkingen war die Stadtmusik aufgeboten und Kanonendonner begrüßte das Ereignis der ersten Zugfahrt. In fast allen Gaststätten der Bahnorte wurde mit Musik, Essen und Unterhaltung gefeiert. Der „Gemeinderath in Rothenacker“, so die damalige Schreibweise, lud zur Eisenbahneröffnung und zum gleichzeitig an diesem Tag stattfindenden örtlichen Viehmarkt auch die werthe Nachbarschaft ein. Zur damaligen Bahneröffnung widmete der damalige Schullehrer August Butscher aus Untermarchtal ein Gedicht mit 6 Versen, da heißt es: Es rangen mit eisernen Waffen, die Völker in endlosem Kampf, jetzt ist eine Gasse geschaffen, dem Helden der Neuzeit - dem Dampf!

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Planung und Bau der Eisenbahn

In den 50-iger und 60-iger Jahre des 19. Jahrhundert waren noch Pläne für die Schiffbarmachung der Donau mitsamt der Flößerei aktuell. Doch die Entstehung der Eisenbahn ließ diese Planungen in den Hintergrund geraten. Für den Bahnbau in der Region Ehingen - Riedlingen, die Strecke Ulm - Ehingen war schon 1868 bzw. 1869 eröffnet worden, waren mehrere Trassenpläne auf dem Tisch. Die eine Trasse wäre von Rottenacker über Emerkingen, Unterwachingen, durch das Dobeltal Richtung Möhringen, Unlingen bis Riedlingen gegangen. In der Kostenausführung viel billiger als die Donautalvariante „links der Donau“ von Rottenacker, Munderkingen, Untermarchtal, Rechtenstein, Zwiefaltendorf, Unlingen nach Riedlingen. Eine dritte Trasse durch das „Kirchener Tal“ über Lauterach wurde bald fallen gelassen. Die örtlichen Gremien besonders in Emerkingen, Munderkingen und Untermarchtal stritten mit dem zuständigen Ministerium in Stuttgart und der Eisenbahnbahn-Commission in Ulm für den Eisenbahn-Anschluss an ihrem Ort. Vorteilhaft erwies sich dann die Stimme und die Eingaben von Bürgermeister Karl-Josef Schmid aus Munderkingen und des gewandten Pfarrherr Franz Josef Schwitthelm aus Untermarchtal, dem Schwager des Ulmer zweiten Bürgermeister und Hutfabrikanten Mayser und zugleich Mitglied der „Eisenbahnbau-Commission für die Donautalbahn“. Einen weiteren Fürsprecher hatten die Munderkinger und Untermarchtaler in Württembergs in Aussenminister Karl von Varnbühler, dessen Schwägerin war die Baronessin Pauline von Speth aus Untermarchtal. Rittergutsbesitzer und Commerzienrat Schuster aus Emerkingen, ein Bruder des Pfarrers von Rottenacker konnte damals schon aus finanziellen Gründen nichts mehr in die Waagschale werfen. Obwohl die Streckenführung durch das Donautal 1,6 Millionen Gulden fl. teurer kam als die sogenannte „Dobeltalbahn“, wurde durchs Donautal gebaut. Der Stuttgarter Landtag akzeptierte die teure Trasse. So war auch die Schranne und die Märkte in Munderkingen erhalten geblieben. Untermarchtals Gemeinde bekam sogar einen Zuschuss zur Zufahrt zu künftigen Station von 2000 Gulden fl. bewilligt. Obermarchtal kam ein Bahnanschluss samt neuer Donaubrücke und Zufahrtstraße zu teuer. Deshalb bekam das kleine Dorf Rechtenstein seine Station. Der ursprünglich für Neuburg und Lauterach vorgesehene Haltepunkt wurde nicht gebaut.

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Bau ab 1868 bis 1870

Der erste Spatenstich auf der Markung Untermarchtal war am 28. November 1868 bei der Hagewiese am westlichen Ortsrand bei der Altlache und Gewann Ebene. Dies und noch viel mehr Einzelheiten über den Bahnbau und seine Ausführung vermerkte Pfarrer Schwitthelm aus Untermarchtal in der Pfarrchronik. Die oberste Bauleitung in der Region hatte Oberingenieur Joseph von Schlierholz aus Biberach, der Sohn eines Bauunternehmers dort. Ein Eisenbahnbau-Denkmal an der Markungsgrenze Algershofen/Untermarchtal in Fels gehauen, erinnert an den von Württembergs König Karl geadelten Baumeister. Mindestens 500 Bauarbeiter, darunter auch Frauen der näheren Umgebung, sowie Fremdarbeiter aus Bayern, Tirol, Böhmen und besonders aus Norditalien, dem Trient, waren beschäftigt und in einfachen Hütten untergebracht. Ein „Eisenbahnbau-Hospital“ wurde im ehemaligen Kloster Obermarchtal eingerichtet um die laufend verletzten Bauarbeiter zu versorgen. Übrigens auch vermerkt: Die beim Bau arbeitenden Frauen aus der näheren Umgebung verdienten bei gleicher Arbeit weniger als die Männer. In dieser Männergesellschaft gab es auch viel Raufhändel, Streitereien und Suff. Einige Bauarbeiter ertranken beim Baden in der Donau.

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Erste Zugfahrt am 15. Juni 1870

Endlich, nach vielen Widrigkeiten, konnter nach vorangegangenen Probefahrten der erste Zug der Strecke Ehingen - Riedlingen am 15. Juni 1868 in Ehingen starten. Die offizielle Streckenlänge wurde damals in Meilen gemessen, also 4,3 Meilen gleich 32 Kilometer. Der Zug benötigte wie im Fahrplan angegeben 73 Minuten bei 7 Zwischenhalten. Die heutigen Regional-Expresszüge durcheilen die Strecke bei der modernen Neigetechnik und ein Zwischenhalt in 19 Minuten. 140 Jahre nach der ersten Zugbahnfahrt in der Region Ehingen sind inzwischen viele Bahnhöfe geschlossen worden. Sie sind im Besitz von Gemeinden oder Privatpersonen und sind baulich in sehr unterschiedlichen Zuständen. Dettingen als Haltpunkt aufgelassen, Rottenacker als Betriebsstelle noch vorhanden, aber kein Zughalt. Munderkingen als Bahnhof und mit allen Zughalten im Betrieb, Untermarchtals Bahnhof ist in einem baulichen Topzustand, beherbergt das Info-Zentrum am internationalem Donauradweg und ist Sitz der Gemeindeverwaltung. Die Gemeinde ist Besitzer. Rechtenstein ist Betriebstelle der DB und man hat ein paar Saison -Zughalte eingerichtet. Eigentümer ist eine Privatperson die im Gebäude eine Kunstgalerie eingerichtet hat. Zwiefaltendorf ist geschlossen und eine Privatperson ist der Besitzer. Der Bahnhof Unlingen ist abgerissen worden.

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Zurück nochmals zur ersten Zugfahrt

In den damaligen Presse-Organen und „Amtlichen Bekanntmachungen“ kam die Eisenbahneröffnung ziemlich groß heraus. Der „Volksfreund für Oberschwaben“ widmete dem Ereignis mit Einladungen, Streckenbeschreibung, Fahrplan und dem kurz beschriebenen „6-versigen Gedicht von Lehrer August Butscher“ aus Untermarchtal samt amtlichen Anzeigen der Gemeinde Rothenacker und der Stadt Munderkingen, große Aufmerksamkeit. Auch die Stadt Munderkingen meldet das Eisenbahn-Ereignis im „Donau-Boten“.

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Die aktuelle Situation im Jahre 2010

Die Deutsche Bahn hat heute im Personen-Nahverkehr mit Zügen und Bussen einen Stundentakt-Betrieb mit guter Ausnutzung bei zum Teil günstigen Fahrpreisen eingerichtet. Dagegen ist der Güterverkehr auf Teilstücken der Donautalbahn auf ein geringes Maß zurückgegangen. Eine Ausnahme ist werktäglich der Ganzzug der Hohenzollerischen Landesbahn von Stetten bei Haigerloch bis ins bayerische Wackerwerk in Burghausen. Die DB-Strecke Ulm - Sigmaringen ist aber nach wie vor ein wichtiges Bindeglied im regionalen Streckennetz und kann deshalb jetzt ihr 140-jähriges Bestehen feiern.