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Vor 130 Jahren erwarb Franz Josef Linder das ehemalige Schloßgebäude

Aus Untermarchtals Orts- und Klostergeschichte: Vor 130 Jahren erwarb Franz Josef Linder das ehemalige Schloßgebäude für seine Tochter

Für den Ort Untermarchtal waren die Jahre 1886 und 1887 bemerkenswert. Vor 130 Jahren wurde eine Wende des Besitzes vom ehemaligen Schloss der Freiherren von Speth eingeleitet. 1850 starb der letzte Freiherr Friedrich von Speth ohne männliche Nachkommen. Seine Witwe Theresia, eine geborene Prinzessin von Öttingen-Wallerstein, verkaufte das Schloss mit sämtlichen Besitztum des Rittergut an Äcker, Wiesen, Wald und Fischerei in der Größe von insgesamt 1003 Württembergischen Morgen an Pfarrer Hermann Friedrich Anselm Schuster aus Rottenacker im Wert von 110 000 Gulden. Das ehemalige Rittergut –die Freiherren von Speth waren seit 1442 Besitzer des Dorfes Untermarchtal- waren somit über 400 Jahre die Grundherren. Die Besitzer des Schloßgutes wechselten dann leider mehrmals. Die Verschleuderung und Zerstückelung des Gutes nahm innerhalb von 30 Jahren stark zu. Allein das Königreich Württemberg konnte rund 700 Morgen Wald, besonders im Distrikt Kaltenbuch und Landgericht, erwerben.

Schloss der Freiherren von Speth und heutiges Haus St. Agnes des Klosters Untermarchtal

Im Jahre 1884 kam Franz Josef Linder, Kaufmann, Bäcker und Konditor aus Rottweil ins Gespräch als Käufer. Herr Linder, hatte sich für seine Tochter Josefine –genannt Schwester Margarita- in Schwäbisch Gmünd für den Kauf eines Gutes dort finanziell beteiligt. In Schwäbisch Gmünd war dann eine bauliche Erweiterung oder Neubau in Erwägung gezogen worden. Diese Planung wurde aber zur Seite gelegt. Der Ordensgemeinschaft wurde Anfang der 1880-iger Jahre das ehemalige Schloßgut in Untermarchtal zum Kauf angeboten. Kaufmann Linder erwarb dann 1886 das Untermarchtaler Schloßgut zum Preis von 28 500 Mark und stellte es der Kongregation der barmherzigen Schwestern zur Verfügung. Große Freude darüber herrschte damals in Untermarchtal und Ortspfarrer Leonhard Strahl schreibt dazu in der Pfarrchronik folgendes: „Für Untermarchtal war dies ein Tag der Freude und des Segens. Das Schloß, das Sorgenkind von Ort und Gemeinde Untermarchtal, das seit dem Aussterben der alten Gutsbesitzer, der Freiherren von Speth 1850 eine Reihe wechselnder Besitzer gehabt hatte, ging nun an benannten Herrn Linder über, der es der Kongregation der barmherzigen Schwestern in Gmünd zur Verfügung stellte“. An dem Zuschlag von Herrn Linder hatte der damalige Munderkinger Verwaltungsaktuar Georg Fischer –ein gebürtigter Untermarchtaler- einen guten Anteil. Er selber schreibt darüber: „Herr Kaufmann Fidel Doll sen. In Munderkingen, ein Jugendfreund von Schloßkäufer Linder (beide, Linder und Doll waren Kaufmann und Konditor, arbeiteten gemeinsam in Straßburg und kannten so den dort ansässigen Orden der Vinzentinerinnen) Anmerkung der Red., übersandte mir am nächstfolgenden Tage des Kaufes in aller Frühe ein Brieflein zu , dessen kurzen Inhalts: „Guten Morgen Herr Fischer, Herr Linder hat Schloß Untermarchtal gekauft.“ Ich wußte nur zu genau, was dies zu bedeuten hatte. Seit Jahren war es mein eifrigstes Bestreben, das „Schloß meiner Heimatgemeinde in den Händen der Kongregation der barmherzigen Schwestern in Gmünd“ zu wissen. Wohlerwürdige Generaloberin Arkadia Scholl und hochwürdiger Herr Superior Josef Eisenbarth standen der Sache wohlwollend gegenüber und es wäre wohl eher ein Kauf zustande gekommen, wenn das das Kloster die Mittel und Wege dazu gefunden hätte.

Bild zeigt über dem Hauptportal des Schloßes das Allianzwappen der Adelshäuser derer von Speth zu Untermarchtal (links) und das Wappen des Fürstenhauses Öttingen-Wallerstein (rechts) als Wappen der Fürstprinzessin Theresia von Öttingen-Wallerstein und Ehefrau des letzten Freiherren von Untermarchtal

Die Chronik des Klosters und der Pfarrei beschreibt dann ab dem Jahre 1887 den Aufzug der ersten Schwestern und klösterlichen Bewohnerinnen des Schloß mit folgenden Worten: „Ein sehr erfreuliches Jahr war 1887 für das Schloß Untermarchtal. Am Donnerstag, 13. Januar, mittags mit dem 12-Uhr-Zug trafen die ersten klösterlichen Bewohnerinnen ein; Schwester Fulgentia mit 6 Dienstmädchen. Ende Januar hatten diesselben das geräumige Schloß trotz aller Härten des Winters in wohnlichen Stand gesetzt, gereinigt und Schäden ausgebessert. Am 30 Januar zogen 2 weitere Bewohnerinnen auf. Am 22. Februar 1887 nahm Schloßbesitzer Linder Besitz vom Schloß und Wohnung daselbst. Eine Erlösung aus vielerlei Mißhelligkeiten war es endlich, als Herr Linder diesen Besitz übernahm. Zur Erinnerung und „Gründung“ an diese denkwürdige Zeit wurde am 7. Mai 1887 die Linder-Linde gesetzt, an der nordöstlichen Ecke des oberen Schloßgartens. Anmerkung der Red.: Diese Linde gibt es nicht mehr. Als eine Linde im Jahr 2008 anläßlich der Donau-Brückeneinweihung bei der Brücke neu gesetzt wurde, erinnerte Generaloberin Schwester Marieluise Metzger an die damalige Lindenpflanzung.

Marienstatue an der Aussenwand vom Verwaltungsgebäude St. Maria im oberen Schlosshof

Eine Beschreibung des Schloß Jahre zuvor weist folgenden Bauumfang auf: Das Schloß wurde von 1573-76 von Freiherr Johann Ulrich von Speth und seiner Gemahlin Ursula Spethin von Uttenheim im Spät-Renaissance-Stil erbaut. Im 18. Jahrhundert im barocken Stil umgebaut. Der dreigeschossige Hauptbau mit Eckerkern, hohen Mittelgiebel und Satteldach. Die Stuckaturen im Flur und in der Beletage sind 1711 entstanden und stellen ein ausgedehntes allegorisches Programm dar. Dies war die Zeit, als die Freifrau Barbara Theresia von Speth geb. Baronin von Schad, Mittelbiberach, den Freiherr Adam Bernhard von Speth zu Untermarchtal ehelichte. Anfang des 19. Jahrhundert erst wurde der Große Saal ausgestattet mit Tapeten mit Bilder der ötingischen Schlösser Baldern, Maihingen, Wallerstein und Öttingen. Diese Darstellungen war der Wunsch von Ehefrau Theresia Prinzessin zu Öttingen-Wallerstein mit Ehemann Freiherr Friedrich von Speth, letzter Freiherr von Untermarchtal, gestorben 1850. Das Allianzwappen derer von Speth und der Fürsten von Öttingen-Wallerstein über dem Hauptportal verdeutlicht diese Vereinigung. Der Schloßbau weist im untersten Stock 3 heizbare Zimmer, 1 Kapelle, Küche, 2 Gewölbe auf. Der Augang zum mittleren Stockist mit einem Ballustergeländer gebaut. Im mittleren Stock 2 heizbare Zimmer und 4 Alcoven. Im oberen Stock 1 Billardzimmer, 4 heizbare Zimmer und 4 Kammern. Unterm Satteldach 2 Kammern und 2 Fruchtböden mit 3 Bühnen. Unter der Erde 1 großer Weinkeller sowie 4 andere Keller. Es heißt dann weiter: Insbesondere die mittlere Etage ist sehr geschmackvoll gebaut und hübsch tapeziert.Das Gesamtgebäude ist prägend für den ganzen Ort. Das herrliche Ritterschloß führt jetzt den Klosternamen „Sankt Agnes“. Eine grundlegende Renovierung in jüngster Zeit wurde von 1982 bis 1986 von der Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern e.V. in enger Zusammenarbeit mit dem Landesdenkmalamt Baden-Württemberg durchgeführt. Nach der Pfarrkirche St. Andreas –erbaut 1465 als „Kapelle auf dem Berg“- ist das Schloß das zweitälteste Gebäude im Ort Untermarchtal.

Ölgemälde von Bernhard Baur Jahr 1835 mit Ansicht Dorf, Schloß mit Nebengebäuden, Pfarrkirche St. Andreas

Noch einige Anmerkungen zum Stifter, Franz Josef Linder aus Rottweil. Nach dem Kauf des Schloßes samt Anlagen im Jahre 1886 bewohnte er das Schloß ab Februar 1887. Nach dem Tod seiner Frau Antonie 1886 hielt in Rottweil nichts mehr und er zog zu seiner zweitgeborenen Tochter Josefine –jetzt Schwester Margarita- nach Untermarchtal. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits Bevollmächtigter des Mutterhaus, damals noch in Gmünd und war dann auch kaufmännischer Bevollmächtigter vor Ort in Untermarchtal. Er begleitete alle wichtigen Baumaßnahmen, stellte Bauanträge wie zum Beispiel für den Neubau St. Barbara, Renovierung des Backhaus, Waschhaus, Küche und anderes. Im Schloß hatte Herr Linder Wohnung bis zu seinem Tod im Jahre 1897. Seine letzte Ruhestätte ist auf dem Klosterfriedhof. Seine Tochter Josefine –jetzt Schwester Margarita- war von 1893 bis 1918 Generaloberin der Untermarchtaler Vinzenschwestern. In dieser Zeit hat sich aus dem ehemaligen Schloßgut eine Gesamtkklosteranlage entwickelt. Zu dieser Zeit war Josef Eisenbarth Superior. In seine Amtszeit von 1878 bis 1898 (bis zu seinem Tod im Jahre 1912 war Eisenbarth Ehrensuperior) fielen der Ankauf vom Veitenhof neben der Kloster sowie 3 weiteren zum Kauf angebotene landwirtschaftliche Anwesen im Dorf. Darunter war das Anwesen der Adlerwirtschaft –heute Haus St. Josef- samt landwirtschaftliche Flächen im Jahr 1905. Er verstand die Kunst, vielfach Türen zu öffnen zu Gunsten der Nöte seiner aufwärtsstrebenden Anstalten. Auch war die Erweiterung des bis 1898 nicht stattlichen Baghnhof Untermarchtal mit seiner Vermittlung zu verdanken.

Ölgemälde von unbek. Künstler um 1800 und zeigt das Schloß der Freiherren von Speth, die Pfarrkirche St. Andreas und Dorfgebäude

Eine für die Verlegung des Mutterhaus wichtige Schwester der barmherzigen Schwestern von Gmünd nach Untermarchtal im Jahre 1891 war die 3. Generaloberin Schwester Margarita Linder. Die Übersiedlung des Mutterhaus und der Verwaltung von Gmünd nach Untermarchtal begann 1891 und wurde juristisch1892 abgeschlossen. Zunächst im Jahre 1886 war noch Schwester Arcadia Scholl 1888 Generaloberin. Sie war noch im Mutterhaus in Straßburg tätig. Dann wurde sie mit der Neugründung im Schwabenland und zwar in Gmünd vom damaligen Bischof Josef von Lipp beauftragt und ernannt worden. Generaloberin Arcadia legte dann 1888 ihr Amt nieder und es folgte ihre Nachfolgerin Schwester Magdalena Knödler von 1888 bis 1893. In deren Amtszeit fiel die Eröffnung des Stuttgarter Marienhospital 1890. Dann folgte ihr Schwester Margarita Linder als Generaloberin. Seit ihrem Klostereintritt 1867 war Schwester Margarita an vielen Stellen des Ordens mit verantwortungsvollen Posten beauftragt. So in der Krankenpflege, Kinderschulen, Industrieschulen und sie war eine gute Stickerin. Ihre Vorvorgängerin Generaloberin Arcadia berief sie 1876 ins Schreibzimmer und war gleichzeitig ihre Assistenzschwester. Kaufmännische Aufgaben lagen ihr auch, hatte sie doch von ihrem Vater einiges gelernt. Die Untermarchtaler Hauptstraße ab der Donaubrücke Richtung Obermarchtal trägt den Namen der damaligen Generaloberin und heißt „Margarita-Linder Straße“. In ihre Amtszeit kam der Bau der Rosenkranzkirche 1908/09. Zuvor im Jahre 1903 wurde mit dem Bau und Grundsteinlegung von „Maria Hilf“ begonnen. Das Bildstöcklein dort in der Nähe wurde mit dem Maria-Hilfbild eingeweiht und erinnerte heute noch an diesen Baubeginn. Ebenfalls erbaut und erweitert wurden der Gutshof St. Veit, das Noviziatsgebäude St. Vinzenz und das Exerzitienhaus St. Ignaz. Zum Beispiel traten 1905 113 Kandidatinnen in das Kloster Untermarchtal ein. Die Aufgaben des Klosters wuchsen stetig an. Im Jahre 1915 wurde die neue Kapelle zum Guten Hirten eingeweiht. Viele auswärtige Krankenstationen in der Diözese wurden von Schwestern betreut. Im ersten und auch im zweiten Weltkrieg wurde im Kloster jeweils ein Lazarett für Kriegsverwundete eingerichtet. Schwestern begleiteten Sanitätszüge Richtung Frankreich. Insgesamt sind Kriegsleistungen von über 300 Schwestern vermerkt.. In Untermarchtal wurdennach 1919 32 Flüchtlinge und Angehörige von Kriegerfamilien aufgenommen und 3 bis 4 Jahre unentgeltlich verpflegt. Zum Schluss sei noch erwähnt und dies ist sehr interessant und hält den historischen Vergleichen und der Gegenwart stand: In früherer Zeit stand im oberen Schloßhof ein Brunnen und dieser trug eine Palme als Wahrzeuichen, übrigens wie am Stuttgarter und Ludwigsburger Schloss, das Wahrzeichen von Graf Eberhard im Bart. Dessen Wahlspruch hieß „Attempto“-Ich wag`s ! Dieses Wagnis passt zum damaligen Aufbruch der Barmherzigen Schwestern, die ihr Mutterhaus 1887, also vor 130 Jahren, nach Untermarchtal verlegten. Dies insgesamt ist ein Gedenken wert.

Schlosskäufer Franz Josef Linder und seiner Tochter, Schwester und damalige Generaloberin Margarita Linde

Literatur-Quellen: Buch: „Die Schwestern des hl. Vinzenz von Paul“. Bild- und Textband Alb-Donau-Kreis. In der Heimat – Donaubote. Heimatbuch Untermarchtal. Schlösser in Oberschwaben und Der kürzeste Weg zu Gott führt über den Nächsten.