• Gemeinde Untermarchtal Panorama

Ehemals geplanter Lautertal-Bahnbau vor 135 Jahren.

Strecke von Munderkingen bis Marbach in Schmalspur

Munderkingen/Untermarchtal (hi) Ab der Mitte bis Ende des 19. Jahrhundert war der Bau von Eisenbahnen im Königreich Württemberg ein vorrangiges Thema. Hier in der Region Ehingen war dies schon 1870 mit der Donautalbahn eine vollendet gebaute Tatsache. Aufmerksamkeit hat das Thema Eisenbahnbau in den letzten Jahren beim Bau mehrerer Neubaustrecken (NBS) in Deutschland geweckt.

Von Ulm bis Wendlingen (Stuttgart) mit rund 100 Km Länge Inbetriebnahme war vor einigen Wochen großes Thema. Blickt man aber rund 150 Jahre zurück, war der Traum von einer Bahnverbindung fast für alle Orte des Landes ein Wunsch.

Denkschrift mit Bauplanung

Hierbei fielen in letzter Zeit der Bericht in der SZ mit dem Titel „Feldstetten sollte einst einen eigenen Bahnhof bekommen“. Streckenverlängerung ausgehend ab Laichingen möglichst bis Zainingen oder Münsingen wegen Bedienung des seit 1894 in Betrieb genommenen Truppenübungsplatz vom Königreich Württemberg.

Ab Mitte der 1880-iger Jahre regte sich auch ein dringender Wunsch der Stadt Munderkingen und Umgebung für einen Eisenbahnbau ab Munderkingen durch das Lautertal bis Marbach. Die Gründe für diesen Eisenbahnbau lagen bei der gewerblichen, landwirtschaftlichen und kommenden Industrialisierung dieser Landschaft. Doch Tourismus war damals noch ein winziges Thema. Jetzt im 21. Jahrhundert wäre eine Lautertalbahn eine sehr beachtete, wenn auch vielleicht nur ein Museums- oder Touristenbähnle im bekanntlich „schönsten Flußtal Deutschlands“! (siehe unten) Welch eine Vorstellung mit Hintergrund! Zurück zu damals. Diese Bahn hätte eine Länge von 34 Km und wäre mit Schmalspur 750 mm auszustatten. Mit einer bemerkenswerten Denkschrift wurde von der Stadt Munderkingen und deren Eisenbahnkomitee ein wirtschaftliches und bautechnisches Gutachten in Auftrag gegeben. Der damalige sehr bekannte Ökonom Regierungsbaumeister Wallersteiner aus Stuttgart wurde damit beauftragt.  Staatsminister des Innern, Karl Josef von Schmid, vormals Munderkingens Bürgermeister, unterstützte indes die forschen Unternehmungen seiner Munderkinger Landsleute.
Der 3 Km lange Streckenteil von der Lautermündung- Untermarchtal bis Munderkingen sollte eine dritte Schiene für die eingebaute Schmalspur bekommen. Ein Novum, aber dies gibt es heute noch in Deutschland.
Doch auch eine gewisse Konkurrenz gab es für diesen „Lauterthal-Eisenbahnbau“. Die Stadt Hayingen im Verbund mit dem Klosterort Zwiefalten hegten den Wunsch für einen Eisenbahn-Anschluss. Von Zwiefaltendorf aus über Zwiefalten, Hayingen zum Lautertal und weiter, waren deren Bauüberlegungen. Beide Seiten bekämpften sich mit Gegendarstellungen, besseren Berechnungen, Statistiken über Einwohner, Gewerbe (Mühlen, Brauereien, Webereien (Haderlumpen), Ziegeleien) Märkte, Tierhaltung, Getreideaufkommen, Rohstoffbearbeitung wie Kalk, Zement, Holz, Wasser sowie die möglichen Trassenführungen. Mit ihren regelmäßigen Krämer- und Viehmärkten sowie der großen Schranne deren Fruchtverwertung und Handel, eine der 11. Größten in Württemberg war, punktete die Stadt Munderkingen herausragend. Es gab regelrechte Eisenbahn-Interessenversammlungen in Hayingen, Munderkingen und Münsingen mit adliger, kommunaler und geistlicher Versammlungsleitung.

Wie schon angedeutet stand die Planung auch im Wettbewerb mit weiteren Eisenbahn-Bauprojekten mit deren Streckenführungen. Die Stadt Münsingen mit deren Militärverkehr, Bahnbau-Projekte wie Münsingen, Laichingen, Amstetten oder auch das naheliegende Projekt einer Bahn nach Laupheim, nach Biberach über Uttenweiler mit einem Anschluss an das eigene Lautertalprojekt. Übrigens; eine Bahn von Biberach nach Uttenweiler wurde sogar nach dem I. Weltkrieg in Teilen gebaut aber Mitte der 1920-Jahre aufgegeben. Aufgrund diesem schon angefangenen Bau auch im Ort Attenweiler gibt es noch heute eine Bahnhofstraße! Auf dem Alb war noch baulich hinderlich die „Honauer Steige“. Jedoch diese schwierige Passage wurde nach der Jahrhundertwende mit der Ausrüstung dieser Strecke mit Zahnrad-Betrieb technisch meisterlich genommen. Allerdings Mitte der 1960-iger Jahre abgebaut. Weiter in einer Planung lagen damals -wie übrigens auch heute im Jahre 2023 noch- der Plan einer Bahn von Ehingen aus nach Erbach. Wird dieses zum „St. Nimmerleinstag Projekt“ ?
Baukosten, Steuerkraft.

Das zuständige Ministerium des Äußeren in Stuttgart und die damit zusammenhängende „Zweite Stände-Kammer“ das Finanzministerium dort, prüften die sehr umfangreichen und detaillierten Eingaben und Petitionen auch im Hinblick auf die wichtige Steuerkraft der Regionen.
Für Humor sorgen ein paar knackige und Nachdenkens Werte Sprüche in der Denkschrift wie zum Beispiel: “Pfeift einmal die Lokomotive durch das Lautertal, was spätestens in das 20.igste Jahrhundert sollte der Fall sein können, dürften längs der Lauter neue geschäftliche Unternehmungen wie die Pilze aus dem Boden schießen. Das wildromantische Lauterthal mit seinen Ritterburgen aus alter Zeit, mit seinen mannigfachen Naturschönheiten würde auch ein größerer Anziehungspunkt für die Touristenwelt werden“. Was für eine Voraussehung! Siehe oben). Oder der etwas sonderbare gewagte Spruch für die Neue Welt: „Die Eisenbahnen sind der großartigste Sieg des modernen Geistes für Technik, materiellen Wohlseins und menschlicher Vervollkommnung“.

Bautechnische Fragen

Die technische Beschreibung oder Aufwand für den Bau der Strecke sind detailliert mit folgendem: Maßgebliche Aufwendungen für Grunderwerb, Gebäude, sämtliche landschaftliche Einschnitte, 8 Lauterbrücken davon 1 Viadukt mit einer Länge von 120 Meter und bis zu einer Höhe von 15 Meter bei Gundelfingen, 4 Fluss Verlegungen der Lauter, mehrere Bahndämme zusammen mit dem Hochwasserschutz und erschwerter Ausbau der Strecke mit dem anstehenden harten Jurakalk. Dieser wird aber wieder zu Bettungsmaterial verwendet. Die engen und beschränkten Verhältnisse beim Bahnhof Untermarchtal werden voraussichtlich mit einer rund 600 Meter langen Stüttzmauer-Planung gegen die Donau erforderlich machen. Zugkreuzungen wären dann möglich. Dieses Sützmauer-Projekt war 1913 planerisch fertig, wurde aber wegen dem Kriegsbeginn 1914 nicht mehr verwirklicht.
Das Einzugsgebiet der 34 Km langen Strecke umfaßt im Oberamt Münsingen 13 Gemarkungen und im Ober Amt Ehingen 4 Ortschaftsmarkungen. Die Einwohnerzahl aller im Verkehrsgebiet der geplanten Lautertalstrecke ist mit 11 500 Personen ermittelt. Die Streckenbaukosten sind mit 80 000 Mark pro Km veranschlagt. Kosten für Vorarbeiten mit 9 000 Mark. Dies ergibt planerische Kosten der Strecke Marbach- Munderkingen in Summe rund 2, 5 Millionen Mark. Von der eventuellen Erteilung des Bauauftrags bis zur Fertigstellung des Projekts würde ein Zeitraum von 1,5 bis 2 Jahre erforderlich sein.

Wie die Ständekammer des Finanzministeriums in Stuttgart entschieden hat ist nicht bekannt da viele Bauanträge von Lokalbahnen mit Petitionen, Untertänigsten Bitten und Eingaben von Kommunen für Bahnbauten überschwemmt wurden. Das Hin- und Her von Petitionen mit Planänderungen zog sich bis zum Kriegsbeginn-Jahr 1914 hin. Die Regierung, das Finanzministerium und Ständekammern mussten die Eisenbahngesetze einhalten.. Zum Beispiel wurde die Bahn in Vollspur von Schelkingen nach Münsingen im Jahr 1901 bei einer Streckenlänge von 24 Km, Kosten rund 2,67 Millionen Mark eröffnet. Laupheim – Schwendi 1904 (eingestellt 1986), Biberach – Ochsenhausen 1899 (Eingestellt 1964) und Riedlingen – Schussenried 1915 (eingestellt 1960).

Beendeter Bauwunsch

Im Buch von Hans-Wolfgang Scharf aus dem Jahr 1996 sind die Eisenbahnen rund um das Donautal, Alb und Oberschwaben mit allen Baudetails samt Betriebsanlagen und Schienenfahrzeuge beschrieben.
Die Schlussfolgerung zu dem damaligen Boom von Eisenbahnbauplanungen um die Jahrhundertwende 1900 bis zum Beginn des „Großen Krieges“ dem I. Weltkrieg, ist stark ernüchternd. Zu Beginn dieses Krieges wurden sämtliche Bahnbauplanungen vom Königreich und die damit verbundene Finanzierung derselben, eingestellt. Jener Krieg der die damalige Welt besonders in Europa stark veränderte, dessen Nachwirkungen reichen noch bis in die heutige Zeit herein. Der Geschichtsgang in all seinen Situationen -auch den beschriebenen, geplanten Eisenbahnbauten – prägte die Vergangenheit und jetzt mit vielen Dingen und Aufgaben in der Zukunft.

PS: Angefügte Fotos der erwähnten Denkschrift, Streckenführung der „Lauterthalbahn“, Übersichtlängenprofilplan, Projektplan im Auftrag von Regierungsbaumeister Wallersteiner, Stuttgart
Nr. 184, 188, 189, 192