• Gemeinde Untermarchtal Panorama

Vor 150 Jahren Baubeginn des Untermarchtaler Bahnhof mit Hindernissen

Genau am 1. September 1869, also vor 150 Jahren, wurde mit dem Bau des Untermarchtaler Bahnhof, zunächst als Bahnwarthaus, begonnen.

Dies zeigt ein angefügtes Foto von der Bauplan-Skizze der Station aus dem Jahr 1898, welche den Erstbaubestand aus dem Jahre 1869 in „Rot“ als Bahnhwarthaus darstellt. Dieser heimatkundliche Nachweis ist aus der Untermarchtaler Pfarrchronik, geschrieben damals vom Pfarrherr Franz Josef Schwitthelm in sehr dankenswerter Weise nachzulesen. Zunächst ist festzustellen, dass in jener Zeit der Eisenbahnbau Hochkonjunktur hatte und jede größere Gemeinde wollte an das Eisenbahnnetz angeschlossen werden, so auch Untermarchtal „als Tor zur Welt“ auf der schon 1868 teilweise ab Ulm im Betrieb genommenen Donautalbahn Ulm – Sigmaringen.
Die Eisenbahnbau-Commission war lange Zeit gegen eine „Haltestelle“, weil sie in großer Expropriationsprocesse (Enteignungsprozess) mit Bürger von Untermarchthal verwickelt war. Selbst die Gemeinde machte Schwierigkeiten wegen der Vietränke bei der Donaubrücke und Nähe zur Zehntscheuer und der Verweigerung von Sandabbau bei der Zulege (Bodenlöse, Ebene).
Ursprünglich war die Station Obermarchthal projektiert, da aber die Gemeinde dort die Kosten der Erbauung und Unterhaltung einer Donaubrücke mit Zufahrtsstraße vom Ort zur Brücke mit Durchlässen zur Flußbrücke im Mindestbetrag von 30 000 Gulden nicht aufbringen konnte. Sodann wurde die Station Rechtenstein festgestellt.

Guter Draht zum zuständigen Minister als Fürsprecher
In Untermarchthal (mit „h“ geschrieben) aber waren besonderer Umstände für die Entscheidung zum Bau einer Station sehr wichtig. Durch die energische Vermittlung des Chronikschreibers (Pfarrherr Schwitthelm, Bürgermeister Johann Bierer, Gemeinderath Kaeser und Munderkingens Bürgermeister Karl-Josef Schmid sowie Schwitthelms Schwager, der Ulmer Hutfabrikant Mayser, der wiederum Stellv. Ulmer Bürgermeister und Mitglied der Eisenbahnbau-Commission war), wurde auf Betreiben des Chronikschreibers eine Deputation an das Ministerium und die Eisenbahnbau-Commission abgesandt um mit der Bitte die Auflagen und Kosten der Zufahrtsstraße herzustellen. Bis zum 1. Juni 1870 müsse dann die Zufahrtsstraße hergestellt sein, da am 15. Juni 1870 die Streckeneröffnung Ehingen – Riedlingen geplant ist. Der zuständige Minister des Äußeren war Karl von Varnbühler, dessen Schwägerin die Untermarchtaler Baronessin Pauline von Speth und Tochter des letzten Untermarchtaler Freiherr Friedrich von Speth war. Der Minister war dem Ort deswegen sehr zugetan, ebenso Baurat Joseph von Schlierholz (Eisenbahnbau-Pionier aus Biberach/Riß und Erbauer der Donuatalbahn). Somit erhielt Untermarchthal nun eine volle Haltestation mit Güterschuppen, Bodenwaage und Laderampe. Endlich wurden die Anliegerflächen von Wagner Seitz, Bauer Anton Lock und Schreiner Ziegler für die Zufahrtsstraße angekauft.

Angefügtes Foto zeigt das Kauf-Protokoll des Anton Lock mit der Eisenbahn-Verwaltung vom 12. Juni 1868. Dazugehörige Flächen der Gemeinde wurden vom Königreich nicht entschädigt. Die Kostensumme für die Station oder zunächst Bahnwarthaus, sind nicht mehr festzustellen. Jedenfalls war der Bau zur Bahneröffnung und Fahrt des 1. Zuges am 15. Juni1870, „dem Tag vor dem Fronleichnamsfest“, wie Pfarrherr Schwitthelm schreibt, fertiggestellt.

Was sich so bewegte auf dem Bahnhof
Die weitere Geschichte des Bahnhof Untermarchtal der letzten 150 Jahre ist eine spannende und abwechslungsreiche Beschreibung eines Bauwerk wo Menschen arbeiteten, wohnten und nicht zuletzt als Reisende in den Zügen fort fuhren oder hier am Ziel ankamen. Schicksalhaft auch Szenen während der beiden Weltkriege mit zahllosen, ankommenden Lazarettzügen oder wo sich Soldaten am Bahnsteig an die Front verabschiedeten. Viele Prominente Reisende hatte der Bahnhof in seiner 150-jährigen Geschichte zu verzeichnen. Besonders am Ende des 19. Jahrhundert war Württembergs Königin Charlotte mehrmals zu Besuch in Untermarchtal und reiste mit dem Zug an. Sie war zur Visitation bei den Ordensschwestern des Hl. Vinzenz von Paul zu Gast weil Sie in Ihrer Person die caritativen Belange und Aufgaben des Ordens als Vorsitzende und Schirmherrin überwachte. Schmunzeln kann man auch von der Einkehr der Königin in den damaligen Gasthäuser Adler und Hirsch. Zur Erholung kam im Jahre 1889 der Würzburger Kardianl Hergenröther mit dem Zug nach Untermarchtal. Dies wurde ein Ehrentag für die Gemeinde. Sämtlicher Klerus der Umgegend und die ganze Gemeinde war zum Empfang am Bahnhöfle versammelt. Ortspfarrer Leonhard Strahl hilt am Bahnhof eine schwungvolle, begeisternde Empfangsrede. Im Jahr 1890 war Kardinal Hergenröther noch einmals Gast in Untermarchtal mit Zuganreise hier.
Vermerkt ist auch die Durchreise und mehrmals von Württembergs König Karl in den 1870-iger Jahren. Ebenso die Durchreise des König von Spanien im Juli 1870. Er war der Prinz von Hohenzollern-Sigmaringen. Aber 2 Wochen nach seiner Ernennung zum König von Spanien verzichtete er auf die Krone Spaniens. Auf der Rückreise nahm er in Rottenacker mit Pfarrer Hermann Schuster ein Frühstück ein. Schuster war zu dieser Zeit noch Schloss-Besitzer in Untermarchtal aus dem Kauf von der Witwe Freiherrin und Prinzessin Theresia von Speth zu Untermarchtal.

Das Personal auf der Station
Zurück zur Station und Bahnhof Untermarchtal. Erster Bahnwärter am 15. Juni 1870 war Andreas Kreutle aus Weidach. Im folgte wenig später Leopold Halder aus Dettingen. Dann als erster Stationsmeister ist genannt Johann Baptist Blöd aus Hochdorf/Riß im Jahre 1877. Von ihm eine kleine Geschichte die bemerkenswert ist. Der Stationsmeister Blöd mußte für die Übertragung seiner Dienstpflichten gegenüber seinem Dienstherr der „ Königlich Württembergischen Staatseisenbahn“ eine Dienstkaution in Höhe von 1000 Mark hinterlegen. Dafür wurde auch seine Ehefrau Agathe zur Haftung dafür herangezogen. Diese Vorgehensweise ist im Gemeindeprotokollbuch Untermarchtal vom 6. Juni 1880 nieder geschrieben und von Schultheiß Josef Vogelsang, den Gemeinderäthen Häckler, Großmann, Munding, Hucker, Ziegler und Ege unterschrieben.

Als Nachfolger von Blöd ist Johann Baptist Liebermann im Jahr 1897 aufgeführt der bis 1921 Stationsvorstand war.In dessen Amtszeit im Jahre 1899 wurde der Bahnhof als Gebäude erweitert und zwar auf stetes Betreiben von Klostersuperior Josef Eisenbarth. In jener Zeitspanne wuchs das Kloster und die Kongregation der Schwestern des Hl. Vinzenz von Paul stark an. Auf Liebermann fogte Bahnhofsvorsteher August Frank bis 1933. Frank war treibende Kraft in Untermarchtal zur Gründung des Liederkranz Untermarchtal. Heinrich Hilpert folgte 1933 bis 1950 als Bahnhofvorstand. In der Zeit des II. Weltkrieg von 1939 bis 1945 wurde der Bahnhof oftmals zum Lazarettbahnhof und Militärzüge fuhren fast täglich für den Kriegseinsatz. Dann wurde Franz Brandstetter bis 1958 Bahnhofsvorstand. Hans Schwendele als Bahnhofvorstand folgte auf Brandstetter bis 1962. Dann bis zum Jahr 1974 gab es eine örtliche Dienstaufsicht mit den Fahrdienstleiter Helmut Beck und Gerhard Hiebsch. Am 31. Dezember 1974 wurde der Bahnhof Untermarchtal geschlossen und in eine unbesetzte Haltestelle umgewandelt. Am 31. Dezember 1974 tat als letzter Fahrdienstleiter Erwin Ibach aus Munderkingen seinen Dienst.
Nach 45 Jahren können sich heute noch die Eisenbahner Helmut Beck, Herbert Böhm, Erwin Ibach, Hermann Illenberger und Hans-Joachim Wendlandt an den Dienst als Fahrdienstleiter beim Bahnhof Untermarchtal zurück erinnern.

Was anfangen mit dem Bahnhof-Gebäude
Als sehr einschneidende Maßnahme der Deutschen Bundesbahn traf die Bevölkerung die Einstellung der Zughalte beim Untermarchtaler Bahnhof ab 23. Mai 1982. Seither sind nur für Sonderhalte in Ausnahmefällen Zughalte möglich. Der bauliche Zustand des Bahnhof-Gebäude verschlechterte sich. Sogar der Abriss wurde von der Bahn in Erwägung gezogen. Verschiedene Verwendungszwecke als mögliche Nutzung wurden vorgeschlagen. Als letzte Mieter in der Wohnung des Obergeschoss des Bahnhof war die Familie Walla verzeichnet. Zwischenzeitlich hatte der Verein „Country-Freunde Untermarchtal“ sein Domizil für einige Zeit im Gebäude.
Schließlich im Jahre 1989 erwarb die Gemeinde Untermarchtal von der Deutschen Bundesbahn das Gebäude für 90 000 DM. Zu diesem Zeitpunkt hatte aber auch die Gemeinde noch keinen schlüssigen Beschluss zur Verwendung das Gebäudes. Das Äußere des Bahnhofsgebäude änderte sich einigemale. Ursprünglich ist das Gebäude wie alle Bahnwärterhäuser im Sichtmauerwerk des roten Backstein erstellt worden. Dieses äußerliche Aussehen unterscheidet den Bahnhof Untermarchtal von allen Bahnhöfen der Donautalbahn. Die meisten anderen Bahnhöfe sind mit Kalktuffsteinen erstellt. Zu Beginn des II. Weltkrieg erhielt der Bahnhof aus Gründen der Tarnung aus Flugzeugen einen weißen Anstrich. Dieser Anstrich wurde bis zur kompletten Renovierung 1998 erhalten, litt aber sehr auf die Dauer.

Einrichtung zum Info-Zentrum am internationalen Donauradwanderweg und der Gemeinde-Verwaltung –Bürgermeisteramt-
Mitte der 1990-iger Jahre regte sich aber der Gedanke im Lande Baden-Württemberg und des Alb-Donau-Kreis die Radwanderwege wie hier den Internationalen Donauradwanderweg, auszubauen und dabei Informations-Zentren zu bauen. Eine ordentliche Bezuschussung für solche Maßnahmen wurden in Aussicht gestellt. Auch von der EU-Verwaltung in Brüssel. Da wurde man in Untermarchtal hellhörig und sprang auf diesen Zug. Die Planung für ein Informations-Zentrum am Radwanderweg sowie auch gleichzeitig die Einrichtung und Installation der gesamten Gemeinde-Verwaltung im ehemaligen Bahnhof kann jetzt anlaufen. Dies war um den Zeitraum 1996/97. Im Jahr 1998 wurde nach der Finanzierungssicherheit , Ausschreibung der Gewerke und Vergaben mit dem kompletten Umbau des Bahnhof begonnen. Während des Umbau sah der altehrwürdige Bahnhof zeitweise recht jämmerlich und erbärmlich aus. Aber alle Handwerker gaben ihr Bestes um das Werk gut bearbeitet zu beenden.
Der 27. Mai 2000 war der Tag der Wiedergeburt des Bahnhof-Gebäudes samt Nebengebäude (ehemals Abort für die Reisenden !) und Umfeld mit Bushaltestelle und Parkplätze. Das Gemeindefest rund um den Bahnhof wurde von den Ortsvereinen gestaltet. Die Gemeinde leistete sich unter Bürgermeister Alfons Ziegler sogar einen Tag einen Dampfzug anzumieten, der den ganzen Tag zwischen Munderkingen – Untermarchtal und Rechtenstein hin und her pendelte, dies zur Freude von Groß und Klein ! Im ehemaligen Wartesaal wurde während der Festlichkeiten eine Foto- und Schriften-Dokumentation von Hermann Illenberger über die Eisenbahn im Donautal und speziell auch vom Umbau des Bahnhof Untermarchtal gezeigt und mit Interesse aufgenommen.
Seither sind fast 20 Jahre vergangen und man kann feststellen,; es hat sich gelohnt was mit dem Bahnhofgebäude was anzufangen war und ist. Über die Kosten des gesamten Umbau samt Aussenanlagen
hat das leitende Architekturbüro Schirmer + Partner mit dem Bauleiter Klingler, Bauing., Ertingen den Kostenrahmen mit der Gesamtsumme von 1.79 Millionen DM eingehalten.

Wie aber geht es mit der Zugförderung auf der Donautalbahn und hier insbesondere wieder mit Zughalten in Untermarchtal weiter. Der Landkreis und das Land Baden-Württemberg sowie die Gemeinden und Städte an der Strecke arbeiten schon jahrelang an Konstrukten in dieser Richtung. In den vergangenen Jahren ist der Fortschritt zwischen genannten Instutitionen in Sachen Regio-S-Bahn nur als mäßig zu bezeichnen. Manche haben daran schon den Glauben zur Verwirklichung dieser Umsetzung in die Tat verloren. Wer hat eigentlich wirkliches und zeitnahes Interesse an einer Regio-S-Bahn und wie lange noch ist Geduld und Geld vorhanden. In Zeiten des Umweltschutz und CO 2-Ausstoß sollte schnell gehandelt werden, schließlich stehen Bahn und Busse für eine geringere Luftverschmutzung und weniger Kraftstoffverbrauch. Was eine künftige Haltestelle in Untermarchtal betrifft, muss zunächst der Bahnsteig auf die die richtige Länge und Höhe gebracht werden und eventuell weitere Anschluss-Leistungen. Die Gemeinde wird wohl hier finanziell in Anspruch genommen werden müssen – genau wie vor 150 Jahren beim Zufahrts-Anschluss zum Bahnhof. Hier hat sich wohl gegenüber den oberen, behördlichern Gremien nichts geändert. Somit ist der Kreis in diesen Angelegenheiten wieder geschlossen.
Am 10. Okt 2019 kann die Teilstrecke der Donaubahn Riedlingen – Mengen schon ihr 150-Jubil. Feiern. Am 10. Okt. 1869 war dies am Riedlinger „Gallus-Markt“. Kann jetzt auch gefeiert werden ? Das Teilstück der Donaubahn Ehingen – Riedlingen wurde am 15. Juni 1870 in Betrieb genommen, also nä Jahr vor 150 Jahren ! Anlass zum Feiern wäre dies sowie die Aufbereitung einer Dokumentation, ähnlich wie beim 125- und 140 –jährigen Eisenbahnjubiläum der Donautalbahn.

Wir möchten an dieser Stelle zum Schluss des „Jubiläumsbericht 150 Jahre denkmalgeschützter Bahnhof Untermarchtal“ noch ein paar Foto Aufnahmen vom Bahnhof zeigen.

Gerade dies soll sich mit der künftigen und erhofften Regio-S-Bahn ändern und Zughalte in Untermarchtal ermöglichen !!

Der Namensschriftzug Untermarchthtal mit „h“ geschrieben original sichtbar unter dem Bahnsteigvordach.
Die Festlichkeiten bei der Übergabe und Segnung des Info-Zentrum im Jahr 2000
Aufnahmen von „durchfahrenden Zügen“ mit rund 130 Km/h durch den Bahnhof

Quellenangabe:

Pfarrchronik Pfarrei St. Andreas Untermarchtal, Heimatbuch Untermarchtal, Staatsarchiv Ludwigsburg, Presse: Schwäbische Zeitung, Ehinger Tagblatt, Volksfreund für Oberschwaben, Donaubote Munderkingen. Archiv Hermann Josef Illenberger Untermarchtal, Alfons Hilpert Oberdischingen